Progressive / progrediente Multiple Sklerose
ECTRIMS 2025: „Altersrandgruppen“ profitieren auch
06. Oktober 2025
Gibt es Ocrelizumab künftig auch für ganz frühe und späte Multiple Sklerose? – Professor Mathias Mäurer berichtet von der weltweit größten MS-Tagung.
Bisher ist der B-Zell-Depletierer Ocrelizumab nur für Erwachsene mit aktiver schubförmiger MS sowie für primär progredient Erkrankte in einem frühen Stadium zugelassen. Das könnte sich ändern, nachdem die Herstellerfirma neue Daten mit neuen Patientenkohorten vorgelegt hat. Auf der diesjährigen ECTRIMS-Tagung in Barcelona zeigte sich nämlich, dass auch Kinder mit schubförmiger MS sowie ältere Betroffene mit primär progredienter MS von dem Anti-CD20-Antikörper profitieren können.
Handfunktion erhalten
Untersucht wurden (verblendet, randomisiert und multizentrisch) ältere und schwerer Betroffene mit primär progredienter MS. Es zeigte sich im Vergleich mit Placebo, dass die Krankheitsprogression kombiniert aus Handfunktionen und EDSS unter Ocrelizumab um 30 % verringert war. Schaute man ausschließlich auf die Handfunktionen, dann war der Behinderungszuwachs in der Wirkstoffgruppe sogar um über 40 % kleiner.
Eine sehr wichtige Erkenntnis, gerade für ältere Betroffene mit von Anfang an schleichender Multipler Sklerose. Ihnen blieb bisher fast nur die symptomatische Therapie. Und gerade für sie, deren Beinfunktion bereits schwer eingeschränkt ist, ist die Erhaltung der Handfunktion umso wichtiger, um weiter ein möglichst hohes Maß an Selbstständigkeit zu erhalten.
Effektiv behandeln: auch Kinder und Jugendliche
Kindern und Jugendlichen mit Multipler Sklerose stehen noch nicht alle Wirkstoffe zur Verfügung, die Erwachsene in ihrer Situation erhalten können. Ocrelizumab zeigte sich nun gegenüber dem bereits im Kindes- und Jugendlichen Alltag zugelassenen Fingolimod deutlich überlegen und sicher, im Rahmen des bekannten.
Eine weitere wichtige Erkenntnis also, um MS-bedingten Behinderungen möglichst früh und möglichst stark entgegenzuwirken.
Wann Ocrelizumab zugelassen wird, für ältere Menschen mit primär progredienter Multipler Sklerose und für Kinder und Jugendliche mit schubförmiger im Verlauf, ist noch nicht bekannt.
Quelle: MS-Docblog, 29.09.2025.
Der Nobelpreis, regulatorische T-Zellen und die MS-Therapie
13. Oktober 2025

Vergangene Woche wurden in Stockholm drei Wissenschaftler für ihre Erkenntnisse zum menschlichen Immunsystem ausgezeichnet. Im Zentrum steht der Japaner Shimon Sakaguchi, der die regulatorischen T-Zellen entdeckt hat.
Ohne unsere T-Zellen würden wir Menschen kaum einen Infekt überleben. Sie sind dafür zuständig, Fremdes zu erkennen und dafür zu sorgen, dass es aus unserem Körper verschwindet. Viren zum Beispiel oder Bakterien. Aber auch Krebszellen.
Dafür gehen die Zellen in der Thymusdrüse gewissermaßen zur Schule. Sie werden dort, bevor sie als “Gesundheitspolizei” in den Körper geschickt werden, getestet und aussortiert. Nur diejenigen Killer-T-Zellen, welche sich nicht gegen das eigene Körpergewebe richten, werden weitergeschickt. Tatsächlich gelingt es einzelnen dieser Zellen dennoch, aus der Thymusdrüse herauszuschlüpfen, obwohl sie falsch programmiert sind und den eigenen Körper angreifen. Das sind dann Autoimmunzellen. Das passiert immer wieder. Die “Schleuse” am Thymus ist nicht perfekt. Macht aber oft nichts, wenigstens in einem gesunden Körper. Denn offensichtlich gibt es auch “hinter” dem Thymus noch eine Kontrolle. Aber welche? Das fragten sich Wissenschaftler weltweit.
Die Entdeckung der Tregs
Lange war unbekannt, dass im peripheren Immunsystem, also außerhalb des Thymus (etwa im Blut), weitere Kontrolleure patrouillieren, die wiederum die Killer-T-Zellen überprüfen, nachdem sie bereits den Thymus verlassen haben. Ob sie ordentlich arbeitende Immunzellen sind oder eventuell Autoimmunzellen. Man ahnte, dass sie da sein mussten, konnte sie jedoch nicht auffinden.
Genau diese “Polizeikontrolleure”, die regulatorischen T-Zellen, hat der mittlerweile74-jährige Shimon Sakaguchi 1995 als erster nachgewiesen. Ein Meilenstein, was das Verständnis für unser Immunsystem betrifft. Die sogenannten Tregs sind es nämlich, welche verhindern, dass ein gesunder Körper Autoimmunerkrankungen entwickelt, Stichwort „periphere Immuntoleranz“. Und ihre Entdeckung bildete die Grundlage für weitere Forschung und die Therapie von Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose oder Morbus Crohn, für die Behandlung von Transplantierten, aber auch von Krebs.
Der Nobel-Preis für Medizin ging dieses Jahr allerdings an gleich drei Forscher. Die US-Amerikaner Mary Brunkow und Fred Ramsdell teilen sich den Preis 2025 mit Sakaguchi. Die beiden Amerikaner konnten nämlich einen Gendefekt bei einer seltenen Autoimmunerkrankung (IPEX) entdecken: Foxp-3. Ein Gendefekt, der auch andere Autoimmunerkrankungen fördert. Doch die Geschichte geht noch weiter: Der Japaner Sakaguchi war es wiederum, der nachweisen konnte, dass unter anderen das Foxp-3-Gen dafür zuständig ist, dass sich die regulatorischen T-Zellen überhaupt entwickeln. Ganz klar: Diese Ergebnisse liefern jede Menge neue Ansätze für die Therapie unterschiedlichster Erkrankungen, von der Autoimmunerkrankung über Krebs bis hin zur Transplantation.
Tregs stärken, MS bremsen?
Diese weltumspannende Forscher-Geschichte zeigt jedoch auch, dass Grundlagenforschung einen langen Atem braucht. Von der Entdeckung grundlegender Erkenntnisse hin zu zugelassenen Therapien für bestimmte Krankheitsbilder ist es ein langer Weg. 30 Jahre sind seit Sakaguchis Entdeckung vergangen. Noch sind die Therapieforschungen dazu experimentell. Ihr Ziel ist es, die Treg-Aktivität zu hemmen (etwa bei Krebs, der Tregs anlockt, um sich so vor den Killer-T-Zellen zu schützen) oder zu stärken, damit mehr autoimmune Zellen gefunden und neutralisiert werden können (etwa bei Autoimmunerkrankungen wie der Multiplen Sklerose). Hier versucht man zum Beispiel, nach dem Vorbild der CAR-T-Zell-Therapie, dem Patienten körpereigene Tregs zu entnehmen, diese außerhalb des Körper “umzuprogrammieren” und dem Patienten wieder zuzuführen. amsel.de hatte etwa über den Studienwirkstoff ABA-101 berichtet. Auch Speisesalz und die Propionsäure sollen im Zusammenhang mit den Tregs stehen.
Wenngleich die Forschung noch nicht am Ziel ist, was neue Wirkstoffe angeht, so hat die Verleihung des diesjährigen Nobelpreises doch immerhin für eines gesorgt: Multiple Sklerose war einmal mehr Thema in den großen Medien. So zeigte die Tagesschau beispielsweise einen MS-Erkrankten aus Baden-Württemberg, anlässlich der Nobelpreisverleihung für Medizin.
Quellen: Tagesschau vom 06.10.2025 [Ausschnitt], abgerufen am 13.10.2025; Deutsches Ärzteblatt, 06.10.2025.
Tolebrutinib: Zulassungen in Sicht
10. April 2025

Der Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitor Tolebrutinib könnte Ende September in den USA zugelassen werden. Die Entscheidung der europäischen Arzneimittel-Behörde wird später erwartet.
Tolebrutinib wird aller Voraussicht nach der erste Bruton-Tyrosinkinase-Hemmer (kurz: BTKi) sein, der gegen Multiple Sklerose zugelassen werden wird. Mehr zu möglichen Zulassungsdaten unten im Text.
Und Tolebrutinib könnte, so es zugelassen wird, das erste „hirngängige“ Medikament sein, welches bei MS sowohl die schubfreie sekundär-progrediente MS behandeln könnte als auch die langsame Behinderungszunahme unabhängig von Schubaktivität. Dies würde bedeuten, dass es, zunächst in den USA, für zwei Indikationen zugelassen werden könnte. Ob es womöglich auch in Kombination mit anderen Immunmodulatoren zum Einsatz kommen kann, um sowohl die schubförmige als auch die schleichende MS-Aktivität einzubremsen, ist derzeit noch völlig offen.
Schleichender Behinderungszuwachs begleitet die MS
Erst schubförmig, danach sekundär-progredienter Verlauf – von dieser zeitlichen Abfolge zweier MS-Phasen kommt die Wissenschaft mehr und mehr ab. Vielmehr scheinen zwei Arten von Schädigung parallel zu agieren, wobei zu Beginn einer MS oft der schubförmig auftretende Schaden überwiegt gegenüber der schleichend fortschreitenden Verschlechterung. Im Verlauf einer zunächst schubförmigen MS lassen die Schübe oft nach, während der kontinuierliche Behinderungszuwachs dominiert.
Die schwelende MS (schwelende Entzündung im Unterschied zu schubförmig auftretenden Entzündungen), also jener Anteil am MS-Geschehen, der, so der Stand der Wissenschaft heute, früh einsetzt und bereits die schubförmige Phase begleitet, trägt mitunter wesentlich zur Behinderungsprogression bei. Genau diesen Anteil soll Tolebrutinib eindämmen und damit die Behinderungszunahme verlangsamen.
Tolebrutinib kann schleichenden Prozess drosseln
Ein wichtiger Schritt, ein wichtiger Baustein in der MS-Behandlung der schleichenden MS, für die bislang die immunmodulatorischen Mittel rar sind. AMSEL hatte bereits mehrfach über die Ergebnisse aus den Zulassungsstudien berichtet:
- ECTRIMS 2024 – BTKi und Diagnosekriterien
In diesem Video fasst Prof. Mathias Mäurer die Ergebnisse der Phase3-Studien zu Tolebrutinib zusammen und ordnet sie ein. Das Video entstand kurz nach dem ECTRIMS-Kongress 2024, auf dem erstmals ausführlich aktuelle Daten aus drei Tolebrutinib-Studien vorgestellt wurden. - Neue Ergebnisse zu BTKi – das Tolebrutinib Studienprogramm
In diesem Blogbeitrag erläutert Prof. Mathias Mäurer den Stand zu Tolebrutinib weiter. - Neue Perspektiven für Menschen mit schleichender MS
In diesem Newsbeitrag erläutert amsel.de die Studienergebnisse.
Unklar war zu diesem Zeitpunkt noch, wann genau der Wirkstoff in den USA und in der EU zugelassen werden könnte.
US-Zulassung und EU-Zulassung des ersten BTKi?
Die FDA (Federal Drug Administration) hat dem Wirkstoff auf dem Weg zur Zulassung eine priorisierte Prüfung zugesprochen. Nach Angaben des Herstellers Sanofi könnte eine Entscheidung der FDA so bereits am 28. September 2025 erfolgen, Tolebrutinib also in den USA ab Ende September 2025 zugelassen werden. Auch in der EU werde derzeit der Zulassungsantrag geprüft, so Sanofi. In der EU würde darüber voraussichtlich im ersten Quartal 2026 entschieden, ist in der Finanzpresse zu lesen.
Der BTK-Hemmer Tolebrutinib zeigte sich in Studien (GEMINI 1und 2 sowie HERCULES) wirksam darin, die schleichende oder schwelende Multiple Sklerose aufzuhalten. Während der Wirkstoff gegenüber Teriflunomid (ein Wirkstoff der Wirksamkeitskategorie 1, zugelassen bei schubförmig MS) Schübe lediglich ähnlich stark verhindern konnte, waren die Ergebnisse, was die Behinderungsprogression betrifft, eindeutig und signifikant. Mitunter gab es auch Verbesserungen des Behinderungsgrades unter den Probanden im Tolebrutinib-Arm.
Wo eine Wirkung ist, gibt es meist auch Nebenwirkungen: Tolebrutinib wird, wie andere in Erprobung befindlichen BTKi, mit mitunter schweren Leberschädigungen in Verbindung gebracht (deutlich zu hohe Leberwerte zeigten sich bei etwa 0,5 % der Studienteilnehmer, vor allem in den ersten 90 Tagen). Im Falle einer Zulassung ist daher mit einem engmaschigen Leber-Monitoring zu rechnen.
Läsionen mit Eisenrand
Mehr noch zeigten Untergruppenanalysen inzwischen: Von Tolebrutinib könnten besonders Menschen mit sogenannten „Paramagnetic Rim Lesions“ (PRL) profitieren. PRL sind Läsionen, die mit einem schnelleren Fortschreiten der Behinderung bei MS in Verbindung gebracht werden. Ihr äußerer Rand enthält eisenhaltige entzündliche Immunzellen, innen herrschen Demyelinisierung und Nervenzellschäden. Mit einer speziellen MRT-Technik lassen sich diese „Eisenränder“ gut darstellen. Allerdings ist die Technik in Radiologiepraxen noch nicht üblich.
Aktuell hat das renommierte Fachjournal New England Journal of Medicine die Studienergebnisse veröffentlicht (mit Prof. Wiendl, Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie mit Neurophysiologie des Universitätsklinikums Freiburg und Sobek Forschungspreisträger 2015, als Letztautor für die GEMINI-Studien). Aus stehen noch die Ergebnisse aus der PERSEUS-Studie. Sie untersucht, inwiefern Menschen mit Primär Progredienter MS (PPMS) von Tolebrutinib profitieren könnten. Die Ergebnisse werden in der zweiten Jahreshälfte 2025 erwartet.
Über Bruton-Tyrosinkinase (BTK) und BTK-Hemmer (BTKi):
BTKi sind oral einzunehmende niedermolekulare Hemmer des Enzyms Bruton-Tyrosinkinase (BTK). BTK sind im menschlichen Körper entscheidend für die Aktivität verschiedener Immunzellen. Auch an solchen, die am Fortschreiten der MS beteiligt sind. BTK ist insbesondere für das Überleben und die Aktivierung von B-Zellen, den für die Antikörperbildung verantwortlichen Zellen, entscheidend. Diese gelten als Hauptakteure der Entzündung bei schubförmig verlaufender MS. Hemmt man die BTK, so hemmt man damit auch die Aktivierung von B-Zellen und im Fall von Multipler Sklerose das Entstehen von Autoimmunzellen. – Das erklärt, dass Tolebrutinib in den aktuellen Studien unter anderem die Schubrate senkte, wenn auch eher moderat (Wirkungsgrad 1 von 3).
Zudem reguliert dieses Enzym aber auch die Aktivierung von Zellen des angeborenen Immunsystems, einschließlich der Mikroglia. Und genau die stehen unter Verdacht, bei progressiven (progredienten) Formen der MS eine wichtige Rolle zuspielen. Das wäre eine Erklärung, warum Tolebrutinib den Behinderungszuwachs bremst. Auch diese Wirkung scheint eher moderat zu sein. Der Behinderungszuwachs wird nicht gestoppt. Allerdings gibt es für den progredienten Anteil der MS bisher nur wenige Mittel. Daher wäre die Zulassung eines (später vielleicht mehrerer) BTKi gegen schleichende MS heute ein großer Fortschritt.
Weitere Quellen: Multiple Sclerosis News Today „Tolebrutinib“, abgerufen am 10.04.2025; Marketscreener, 09.04.2025; Pressemitteilung der Universität Freiburg, 09.04.2025; NEJM zu den GEMINI-Studien, 08.04.2025; NEJM zur HERCULES-Studie, 08.04.2025; Pressemitteilung von Sanofi, 25.03.2025


ENTZÜNDUNGSHEMMENDE ERNÄHRUNG BEI MS
Eine entzündungshemmende Ernährung kann helfen, den Verlauf von Multipler Sklerose zu verlangsamen und die Lebensqualität zu erhalten. Welche Lebensmittel sollten MS-Betroffene essen, welche vermeiden?
MS, eine chronisch entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems, ist bislang nicht heilbar. Aber sie ist behandelbar. Für Betroffene geht es darum, den Verlauf der Erkrankung zu verlangsamen und die Lebensqualität bestmöglich zu erhalten. Mit gezielter Ernährung können MS-Betroffene versuchen, ihr Immunsystem zu stärken und die Entzündungsaktivität zu hemmen:
Multiple Sklerose im Alter – Besonderheiten und praktische Aspekte
Krankenkassendaten aus Deutschland zeigen unabhängig vom Krankheitsverlauf einen generellen Anstieg der MS und einen Anstieg des Durchschnittsalters MS-Erkrankter. Gründe dafür könnten die Alterung der Allgemeinbevölkerung, verbesserte Behandlungsoptionen und empfindlichere Diagnosekriterien sein. Meist wird eine MS im jungen Erwachsenenalter (zwischen 20 und 40 Jahren) diagnostiziert. Wie sich eine spät im Alter einsetzende MS davon abgrenzt und was im Alter bei einer MS-Erkrankung zu beachten ist, auch hinsichtlich der Behandlungsmöglichkeiten, führt Prof. Dr. med. Antonios Bayas im Folgenden aus.
Teil-Studie der europaweiten BEHIND-MS-Studie zu Epstein Barr-Virus und Multiple Sklerose sucht Teilnehmer

Teil-Studie im Rahmen der europaweiten Studie BEHIND-MS sucht Probanden, um der Frage der Auswirkungen einer Epstein Barr-Virus-Infektion bei Menschen mit Multipler Sklerose nachzugehen.
Ziel der von der EU finanzierten Forschungsinitiative ist es, zu verstehen, wie das Epstein Barr-Virus (EBV) zur Entwicklung von MS beiträgt. Unter der Leitung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und in Zusammenarbeit mit einem Team von Experten aus verschiedenen Fachbereichen will BEHIND-MS einen umfassenden Überblick darüber verschaffen, wie sich das EBV zu dem Immunsystem bei Menschen mit MS verhält. Aus diesem Grund zielt BEHIND-MS darauf ab, völlig neue experimentelle Systeme zu entwickeln, die es ermöglichen, die Wechselwirkungen zwischen dem Virus und seinem Wirt in einem noch nie dagewesenen Detailreichtum zu untersuchen.
Was umfasst die BEHIND-MS Studie?
BEHIND-MS wird das Blut, das Gehirn und das Immunsystem von Menschen mit MS untersuchen, um zu verstehen, wie diese Wechselwirkungen Nervenschäden verursachen, insbesondere bei Menschen, bei denen die Wahrscheinlichkeit, an MS zu erkranken, aufgrund genetischer Faktoren erhöht ist. Dazu wird BEHIND-MS im Labor ein Modell entwickeln, bei dem das Virus, das Immunsystem und die Gehirnzellen, die mithilfe des Blutes MS-Erkrankter erzeugt wurden, die Hauptkomponenten darstellen. Dies ist das erste Mal, dass jemand die einzelnen Komponenten gemeinsam in einem Labor untersucht, um die komplizierten molekularen Gründe für die Entstehung von MS zu verstehen. BEHIND-MS wird außerdem ein spezielles Tiermodell entwickeln, das dabei helfen kann, die frühen Anzeichen von MS zu erkennen. Dies könnte ein Wendepunkt in der Testung neuer Therapien bedeuten.
BEHIND-MS zielt darauf ab, zu bestimmen, ob das Immunsystem in der Lage ist, die Infektion mit dem EBV im Blut und im Gehirn von Patienten mit MS zu kontrollieren bzw. zu überprüfen, ob das Immunsystem im Blut (von lebenden) und im Gehirn von Menschen mit MS Anzeichen einer ungewöhnlichen Aktivierung und Autoimmunität nach einer EBV-Infektion aufweist.
Zur Teil-Studie:
Mit früheren Arbeit haben Konsortialpartner gezeigt, dass EBV sich gern in Mandeln, in Lymphknoten und im Darm versteckt. Bei einer Reihe gesunder Personen konnten die Anzahl an Zellen bestimmen werden, die mit EBV infiziert sind. In dieser Teilstudie soll untersucht werden, ob bei Menschen mit MS vielleicht mehr dieser infizierten Zellen zu finden sind.
Was will die Studie von mir haben?
Wir möchten Gewebe untersuchen, dass FRÜHER durch eine Operation im Hals- oder Bauchraum entfernt wurde und nun nicht mehr gebraucht wird. Wir brauchen KEIN frisches Gewebe, demnach werden keine Eingrifffe an Ihnen für die Studie durchgeführt.
Wo wird die Studie durchgeführt:
Am DKFZ in Heidelberg, Sie müssen aber nicht dort hin kommen!
Wie oft muss ich wohin kommen:
Sie müssen nirgends aktiv hinkommen, die Aufklärung und Einwilligung erfolgen per Telefongespräch oder per Videokonferenz.
Was sind die Vorraussetzungen?
Sie haben MS. Sie sind früher einmal operiert worden und dabei ist Gewebe entfernt worden.
Wer ist mein Ansprechpartner?
Frau Dr. med. Susanne Delecluse (s.delecluse@dkfz.de, 06221/424870, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg und Nierenzentrum Heidelberg).
Weitere wichtige Informationen entnehmen Sie bitte der beigefügten Information (PDF).
Die Europäische MS-Platform (EMSP) ist Teil der BEHIND-MS-Studie. Die DMSG unterstützt die EMSP bei ihrer Mitarbeit.
Redaktion: DMSG-Bundesverband e.V. – 04.10.2024
Quellen: DKFZ – 30.09.2024; BEHIND-MS (https://www.behind-ms.eu) – 30.09.2024
https://www.dmsg.de/fileadmin/user_upload/Informationen_fu%CC%88r_Lymphknotenstudie.pdf
Zulassung für Ocrelizumab als subkutane Injektion durch europäische Behörden

Die europäischen Zulassungsbehörden erteilen die Zulassung auch für die subkutane (s.c.) Darreichungsform mit dem gleichen Zeitintervall von sechs Monaten.
Ocrelizumab (Ocrevus®) ist ein Antikörper in der MS-Therapie, der gezielt CD-20 positive B-Zell zerstört. Deshalb wird dieser Wirkstoff auch als anti-CD20-Therapie bezeichnet. Bei seiner Zulassung 2018 war Ocrelizumab der erste zugelassene Wirkstoff mit diesem Wirkprinzip für die RRMS (schubförmige) aber auch für die aktive PPMS (primär progrediente Form). Mitleiweile sind weitere anti-CD20-Therapien für die MS zugelassen: Ofatumumab (Kesimpta®) und Ublituximab (Briumvi). Zusätzlich kommt ebenfalls ohne MS-Zulassung, sozusagen off-label Rituximab (MabThera®/ Rituxan®) bereits seit vielen Jahren zur Anwendung. Alle diese Wirkstoffe unterscheiden sich u.a. in ihrer Dosierung (Dosis und zeitlicher Abstand der Wirkstoffgaben) und Darreichungsform (intravenös oder subkutan). Bisher wurde Ocrelizumab als intravenöse (i.v.) Infusion alle sechs Monate gegeben. Nun hat der Hersteller von Seiten der Europäischen Behörden auch eine Zulassung für die subkutane (s.c.) Darreichungsform mit dem gleichen Zeitintervall von sechs Monaten erhalten.
Der DMSG-Bundesverband hat Experten aus seinem Ärztlichen Beirat (Professor Dr. Ralf Gold und Professor Dr. Ralf Linker) um Einschätzung der Zulassung begründenden Studien und die Auswirkungen der Zulassung auf den Versorgungsalltag gebeten.
Professor Gold erklärt: „Die in der Zulassungsstudie OCARINA 1 Studie getestete Dosis von 920 Milligramm (mg) Ocrelizumab s.c. hat sich pharmakologisch als äquivalent der 600 mg i.v. Gabe erwiesen. Diese Dosis von 920 mg ist in 23 Milliliter (ml) aufgelöst, und wird mit einer entsprechenden Injektorspritze schrittweise über zehn Minuten z.B. in das Bindegewebe der Bauchhaut verabreicht. Durch die enthaltene Hyaluronidase kann sich die Lösung im Bindegewebe rasch verteilen. Mit dem zunehmenden Anstieg von Infusionspatienten in Zeiten ‘früher hochaktiver MS Therapie’ ist dies sicher ein wichtiger Schritt, damit MS-Patienten optimal und zeitnah therapiert werden können.“
„In der Zulassungsstudie wurden bis zu drei s.c. Injektionen innerhalb von 48 Wochen verabreicht. Die ggf. von Patienten gewünschte ‘Rückumstellung’ auf i.v. Therapie ist uneingeschränkt möglich, dann eben auch mit 24 Wochen Abstand. Berufstätige haben durch die Möglichkeit der s.c. Therapie beispielsweise einen geringeren Zeitaufwand und weniger Abwesenheit vom Arbeitsplatz“, ergänzt Professor Ralf Linker.
Quelle: Union Register of medicinal products – Public health – European Commission (europa.eu): https://ec.europa.eu/health/documents/community-register/html/h1231.htm
ERFOLGREICHE REMYELISIERUNG
Theophyllin bei Multipler Sklerose?
APOTHEKE ADHOC, 18.09.2020 14:57 Uhr

Theophyllin könnte ein vielversprechender Ansatz für die Therapie der Multiplen Sklerose sein.Foto: APOTHEKE ADHOCBerlin –
Eigentlich wird der Wirkstoff Theophyllin zur Behandlung von Atemwegserkrankungen eingesetzt. Nun fanden Forscher jedoch Hinweise auf einen möglichen Therapieansatz bei Multipler Sklerose (MS).
Die genauen Wirkmechanismen von Theophyllin sind bisher nicht geklärt. Die Substanz wird bei chronischem Asthma und der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) eingesetzt. Dabei führt sie unter anderem zu einer Relaxation der Bronchialmuskulatur und einer Hemmung der Freisetzung von Mediatoren aus Entzündungszellen.
Remyelinisierung im Fokus
Forscher derJohannes-Gutenberg-Universität Mainz sehen den Einsatz des Wirkstoffs nun auch im neurologischen Bereich: Kommt es im Gehirn zu Schäden an Axonen und deren Myelinhüllen, führen diese meist zu einer dauerhaften Störung, da sie nur schwer zu reparieren sind. Die Signalleitung wird durch die Schädigung gestört, in der Folge kommt es zu den typischen Beschwerden der MS. Untersuchungen zufolge könnte Theophyllin ein Enzym aktivieren, das den Wiederaufbau von Myelinscheiden ermöglicht.
Im Zuge der Untersuchungen hat das Team an Mäusen die Remyelinisierung sowohl im zentralen Nervensystem wie auch in der Peripherie untersucht. „Damit wir den Wiederaufbau von Myelin unterstützen können, müssen wir den Prozess verstehen, der den Mechanismus steuert“, erklärt Studienleiterin Claire Jacob. „Wir wollten zunächst den Prozess verstehen, der die Myelinisierung verhindert. Im zweiten Schritt ging es uns dann darum, wie man dieser Verhinderung oder Blockade begegnen kann.
Eine Schlüsselrolle spiele das Protein „eEF1A1“: Dieses werde durch Acetylierung aktiviert, wodurch es wiederum zu einer Unterbindung der Remyelinisierung kommt. Wird das Protein deaktiviert, kann ein Aufbau der Myelinschicht stattfinden. Für die Deaktivierung von eEF1A1 ist ein Enzym namens Histon-Deacetylase (HDAC2) notwendig. Dieses wird durch den Wirkstoff Theophyllin aktiviert und in seiner Menge erhöht.
Theophyllingabe verbessert neuronale Schäden
Durch die Gabe des Wirkstoffs konnten sich sichtliche Verbesserungen zeigen, im peripheren Nervensystem erholten sich die Myelinscheiden sogar vollständig. „Dieser Studie zufolge erscheint Theophyllin als ein sehr vielversprechendes Präparat, um es in künftigen translationalen Studien zu testen, damit die Remyeliniserung nach einer traumatischen Verletzung oder im Zusammenhang mit Demyelinisierungserkrankungen beschleunigt und gefördert wird“, erläutert das Team.
Allein in Deutschland leben eine Viertelmillion Menschen mit der aktuell noch unheilbaren Krankheit. Europaweit sind es 700.000. Die Multiple Sklerose ist nach der Epilepsie die zweithäufigste neurologische Erkrankung junger Erwachsener. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 30 Jahren. Frauen erkranken fast doppelt so häufig wie Männer. Die entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems ist aktuell nicht heilbar. Spezielle Medikamente – darunter viele monoklonale Antikörper, Ester der Fumarsäure und Zytostatika – können das Voranschreiten nur verlangsamen.
Remyelinisierung mit Clemastin
Forschern der Stanford-Universität gelang im Kernspin der Nachweis, Myelin mit einem Antihistamin zu regenerieren. Die spezielle MRT-Analyse könnte auch neue Standards für künftige Studien setzen.

https://www.amsel.de/multiple-sklerose-news/medizin/remyelinisierung-mit-clemastin-im-mrt-gemessen/
Ernährung beeinflusst den Verlauf von Multipler Sklerose


